In Oldenburg ist Integration Chefsache!
Was genau macht die Integrationsbeauftragete der Stadt Oldenburg?
Auf diese Frage kann ich natürlich nicht mit einem Satz antworten. Das liegt an der Komplexität meines Jobs. Ich bin für alle Belange der Integration von Zuwanderern und ihren Kindern zuständig. Es geht in meinem Aufgabenspektrum aber auch darum eine Toleranz- und Akzeptanzkultur in der Stadt Oldenburg zu fördern. Zu Integrationsprozessen gehören nicht nur die Bemühungen der Migrantinnen und Migranten selbst, bestimmte Ziele zu erreichen, die sie dazu befähigen sollen, selbstbewusst in dieser Stadt zu agieren und zu partizipieren, sondern auch, dass Ihnen die Chancen dazu gegeben werden. Das ist ein Rad, an dem an vielen Stellen gedreht werden muss. Das heißt Öffentlichkeitsarbeit machen für dieses Thema um einen Perspektivenwechsel zu erreichen und bei relevanten Stellen anklopfen, um diese für die Schwierigkeiten von Migranten und Migrantinnen zu sensibilisieren.
Thematisch ist mein Bereich damit sehr komplex, er betrifft alle Lebensbereiche, die entscheidend sind, wenn es darum geht, dass Personen mit Migrationshintergrund sich als Teil der Gesellschaft fühlen und im Prinzip auch dieselben Teilhabechancen haben. Und da gibt es doch noch eine Menge zu tun!
Thematisch ist mein Bereich damit sehr komplex, er betrifft alle Lebensbereiche, die entscheidend sind, wenn es darum geht, dass Personen mit Migrationshintergrund sich als Teil der Gesellschaft fühlen und im Prinzip auch dieselben Teilhabechancen haben. Und da gibt es doch noch eine Menge zu tun!
Kommen wir zu dem Begriff der Integration. Er ist ein sehr vielschichtiger und facettenreicher Begriff. In den Sozialwissenschaften ist er auch nicht eindeutig definiert, und die Gesellschaft hat unterschiedliche Vorstellungen über seine Bedeutung. Gibt es für Sie eine bestimmte Definition von Integration? Was ist Integration, so wie Sie sie verstehen?
Integration ist für mich vor allem, Teilhabechancen zu besitzen. Das heißt, dass ich die Potenziale und die Ressourcen, die ich mitbringe, tatsächlich nutzen kann. Das mir die Chancen gegeben werden, und dass sie auch gefördert werden. Aber der erste Schritt ist, diese erst einmal wahrzunehmen. Das führt dann dazu, dass ich Bildungsabschlüsse erreiche, die mir finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen. Das ist für mich das entscheidende Kriterium für Integration. Alles andere leitet sich im Prinzip davon ab. Das wichtigste Problem von Migranten ist leider, dass sie aus unterschiedlichen Gründen immer noch nicht die gleichen Bildungsabschlüsse erreichen und dass sie nicht dieselben Jobs ausführen können oder aber nicht dürfen wie Einheimische. Daraus entstehen dann finanzielle Probleme.
Es geht also um eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund! Wie kann so etwas erreicht werden?
Ja, im Prinzip durch Strukturen, die Chancengerechtigkeit im Bildungs- und Ausbildungssystem gewährleisten. Das ist immer das Problem. Als Kommune können wir auf das Bildungssystem nur begrenzt Einfluss nehmen. Doch können wir versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Schulen vielleicht einfach mal modellhaft andere Wege gehen. Das hängt natürlich sehr stark von den finanziellen Bedingungen ab. Auf jeden Fall wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten Bedingungen schaffen, die Teilhabechancen und damit die Chancengerechtigkeit, besonders im Bildungssystem, fördern. Das ist für mich ein ganz wichtiges Element von Integrationspolitik. Dazu gehört für mich auch das berufsbildende System, der Übergang von Schule zur Ausbildung oder von Schule zur Universität. Und bei den Erwachsenen im Bereich der Integration in den Arbeitsmarkt. Da denke ich besonders an die Frauen, die ja eine ganz wichtige Rolle im Integrationsprozess spielen. Wenn wir Frauen die Möglichkeit geben können, dass sie zunächst einmal ausreichend Deutsch sprechen können, und dann auch ihren Bedürfnissen und Talenten entsprechend einen Einstieg in den Arbeitsmarkt finden, wäre das sehr gut. Das ist alles nicht so sehr unrealistisch, aber es setzt einfach voraus, dass man ein wenig innovativ und quer denken muss.
Diskriminierung und Rassismus sind in unserer Gesellschaft leider noch gesellschaftliche Realität. Wie wird damit umgegangen?
Also entscheidend ist, denke ich, dass zunächst einmal die Betroffenen immer wieder dazu ermutigt werden, dies offen anzusprechen und sich an die jeweiligen Stellen zu wenden. Wir haben zum Beispiel bei IBIS e.V. eine Antidiskriminierungsstelle. Ich weiß nicht, ob das allen bekannt ist. Auf solche Möglichkeiten weise ich natürlich auch hin, wenn Leute auf mich zukommen bzw. ich etwas höre. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ja bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Es besagt, dass man aufgrund seiner Herkunft, seiner Hautfarbe und seiner Ethnizität nicht diskriminiert werden darf, und vor allen Dingen auch rechtlich dagegen angehen kann. Man muss Menschen jedoch erst dazu ermutigen, solche Vorfälle publik zu machen, den Mut zu haben, sich zu beschweren, damit auch deutlich wird, dass es eben doch nicht ganz so selten passiert. Vor einiger Zeit sind beispielsweise farbige Menschen nicht in eine Oldenburger Diskothek hineingelassen wurden. Und dass sind Dinge, die eigentlich nicht passieren dürften. Deswegen muss das in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Damit sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind, so etwas nicht einfach unter den Tisch zu kehren. Wenn Leute entlassen werden, wegen ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe, dann liegt hier auf jeden Fall ein Verstoß gegen bestehende Gesetze vor. Da wünsche ich mir natürlich, dass Migranten in der Lage sind, gerichtlich dagegen vorzugehen. Das solche Betriebe es einfach mitbekommen, dass sie damit nicht einfach durchkommen können. Auch wenn das natürlich ein sehr harter Prozess ist für die Betroffenen, würde es gleichzeitig anderen Mut machen, vielleicht das Gleiche zu tun. Und ich kann natürlich von städtischer Seite nur appellieren und im Rahmen von Diskussionen zu sensibilisieren. Klar, was auf dem Wohnungsmarkt oder auf dem Arbeitsmarkt passiert, kann ich im Einzelnen nicht regulieren. Wir können als Stadt auf privater Ebene keinen Einfluss nehmen.
Letztendlich müssen wir selber schauen, wie wir mit Bewerbern und Bewerberinnen mit Migrationshintergrund umgehen. Da haben wir jetzt im Rahmen eines Interkulturellen Öffnungsprozesses z.B. bei den Stellenausschreibungen den Satz drin, dass wir Vielfalt und Mehrsprachigkeit schätzen und uns über Bewerberinnen und Bewerber, die dazu beitragen, freuen, und sie zusätzlich ermutigen wollen. Und ich werde in Einstellungsverfahren der Stadt einbezogen. Das ist sozusagen die Stellschraube, wo wir konkret, beim Thema Interkulturelle Öffnung, auch selber etwas tun können, und damit eine Vorbildfunktion übernehmen wollen. Wobei es die größten Unternehmen längst begriffen haben, denen muss man es nicht mehr sagen.
Wie kann es gefördert werden, dass Bürger mit Migrationshintergrund Kontakte zu Deutschen haben?
Das ist, denke ich, vor allem etwas, das auf Stadtteilebene am ehesten passieren kann, auf der Ebene des Quartiers. Daher plädiere ich immer dafür, wenn Projekte initiiert werden, es auf Stadtteilebene zu versuchen, also den sozialräumlichen Aspekt einzubeziehen. Das bedeutet, auf Nachbarschaftsebene Leute finden, die zu begeistern sind und Projekte initiieren, von denen alle in gleicher Weise profitieren. Dabei wird die Identifikation mit dem Stadtteil gestärkt und hierdurch können sich interethnische Kontakte entwickeln. Die interkulturellen Gärten sind ein Projekt, mit dem wir das versuchen, in denen Leute unterschiedlicher Herkunft sich an den Gärten beteiligen und durch diese Arbeit in den Gärten miteinander ins Gespräch kommen, eben auf Nachbarschaftsebene. Wir haben diese Gärten mittlerweile in Blankenburg, Bloherfelde und im Kennedyviertel. In Ohmstede tut sich in der Hinsicht auch schon etwas bei den Bewohnern.
Als sehr wichtig gilt besonders der Bildungsbereich und damit besonders die Belange der zweiten und dritten Generation? Was für Projekte gibt es in diesem Bereich?
Unter Grundschulkindern haben wir das Projekt Bildungspaten initiiert. Damit haben wir mittlerweile wirklich schöne Ergebnisse erzielt. Da haben wir viele Oldenburger gefunden, die sich dafür engagieren. Und dann haben wir im Bildungsbereich das große Projekt „Kommunale Bildungslandschaft“. Da versuchen wir als Kommune letztendlich Strukturen im Bildungssystem dahingehend zu verändern, dass tatsächlich auch Chancengerechtigkeit gegeben ist und es als Ziel mehr Ganztagsangebote gibt, von denen dann viele Kinder mit Migrationshintergrund profitieren können.
Was denken Sie über die aktuellen Debatten und Diskussionen über Migration und Integration in Deutschland?
Also, wir sind leider noch bei der Frage in Deutschland: Sind wir ein Einwandererland oder nicht? Und das finde ich schon mehr als erstaunlich, wenn man jetzt davon ausgeht, dass wir wirklich viele Migranten in Deutschland haben, und die meisten Kommunen auch einen Migrantenanteil von mindestens 15% haben. Das heißt, Migration und Integration ist kein Randphänomen mehr für größere Städte, sondern es ist allgemein zu beobachten. Von daher stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob wir ein Einwanderungsland sind oder nicht. Gut, wir haben in der Tat nicht mehr den großen Zuzug nach Deutschland, dadurch, dass wir eine sehr restriktive Einwanderungspolitik haben. Aber, ich denke, wir haben nach wie vor die Ampel nicht auf Grün gestellt, im Sinne von: Wir sind ein Land, das sich wirklich jetzt langsam aber sicher darauf einstellen muss, dass es auf Zuwanderung angewiesen ist. Wir müssen dementsprechend für Migranten Strukturen schafft, die dazu führen, dass sie sich hier wohlfühlen und gerne hierher kommen und gewillt sind, die Chancen wahrzunehmen, die ihnen geboten werden. Und ich meine, es ist schon wichtig, dass Sprachkursangebote dann auch wahrgenommen werden und Angebote, die der Integration helfen. Aber das ist bei den meisten Menschen auch der Fall. Mir sind selber keine Migranten bekannt, die glücklich darüber sind, dass sie nichts verstehen oder dauerarbeitslos sind. Wir haben leider immer noch dieses Bild im Kopf, die kommen hierher und wollen gar nicht so recht. Und das ist unglücklich! Und diese ganzen Debatten um Sarrazin herum, das ist Gift für das soziale Klima, und Gift für das Vertrauensverhältnis zwischen Deutschen und Migranten.
Wo steht Oldenburg in Sachen Integration? Hat die Stadt ein Integrationskonzept?
Wir haben ein Integrationskonzept entwickelt, das vom Rat einstimmig verabschiedet wurde, was wirklich ein Erfolg war. An dieser Stelle muss ich einfach mal den einzelnen Fraktionen ein großes Lob aussprechen, denn alle waren sich darüber einig, dass es ein wichtiges Thema für die Stadt ist. Über dieses Konzept wurde natürlich viel diskutiert, in den verschiedenen Ausschüssen, und es wurde immer wieder verändert. Letztendlich hat der Rat es zum Schluss einstimmig verabschiedet. Und das ist, denke ich, ein wichtiges Signal nach außen, dass eine Stadt wie Oldenburg ein Konzept und ein Leitbild zum Thema Integration hat, worin sich auch niederschlägt, dass wir Migration als ein positives Signal wahrnehmen und Migranten fördern wollen.
Wir hatten dieses Jahr im April zudem die Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten hier in Oldenburg. Dadurch konnten wir ein Zeichen setzen, dass Integration bei uns kein Randthema ist. Es ist zudem sehr wichtig, dass unser Oberbürgermeister immer wieder erklärt, wie wichtig ihm das Thema ist und dass es eines seiner Leitthemen ist. Deswegen gibt es auch die Stabstelle für Integration. Meine Stelle ist dem Oberbürgermeister direkt zugeordnet, d.h. es gibt organisatorisch eine direkte Verbindung zu ihm. Das ist natürlich sehr von Vorteil für dieses Thema. In Oldenburg sagt man daher auch, Integration ist Chefsache. Dabei ziehen wir mit vielen Kommunen gleich, die als fortschrittlich gelten. Wir müssen uns also nicht verstecken.
Wir haben aber wirklich noch einiges vor uns, was die Bildung, die Ausbildung und den Arbeitsmarkt anbelangt.